Ich nehme mir, was ich brauche. Und ich versuche, alles zu bekommen, was ich will.
Das führt leider auch zwangsläufig immer wieder dazu, dass ich mich anpassen muss. Oder mich zumindest gezwungen fühle – den Umständen entsprechend. Also ordne ich mich ein.
„Ich habe mir selbst mal einen Finger reingesteckt, also kann ich behaupten, ich stehe nicht auf Frauen.“
Ich fand es komisch. Aber ist das schon eine Antwort? Oder habe ich dabei einfach andere Faktoren nicht bedacht? Ich schloss schnell von einer kleinen Wahrnehmung auf das große Ganze.
Also stecken wir uns immer wieder in solche selbst gebauten Schubladen. Dabei weiß ich nicht mal, wie man einen Schraubendreher bedient. Aber eine Schublade zimmern? Easy. Ganz leicht. Ich gehe über die Straße – und im Handumdrehen habe ich eine neue. Und noch eine, wenn ich die Ampel überquere. Manche Menschen werden sich behaupten, so, dass sie genau in diese, fragil von mir zusammengebaute, Schublade gehören. Andere eben nicht.
Eine kleine Sache, ein kurzer Blick – und es entsteht ein gesamtes Bild:
Ist es mein
Einschätzungsvermögen, das mich trügt?
Ich habe mir mit der Zeit eine eigene Kommode erbaut. Manche Teile selbst, andere vielleicht aufgezwungen – ähnlich wie Werbetexte, die einem ins Ohr gepflanzt werden.
„Gillette – für das Beste im Mann.“
Dann kann es nur gut sein. Hätte ich einen Penis, wäre meine Behauptung wahrscheinlich standhafter. Aber so ist das eben.
Wir urteilen, ohne selbst erlebt zu haben, wie es ist.
Ich stehe nicht auf Kaviar. Obwohl ich es nie probiert habe.
Sowohl in beiderlei Hinsicht, liebe Leser:innen.
Ich habe auch Gott nie getroffen – und doch glaube ich an ihn.
Zumindest eher als an die Erregung durch Fäkalien.
(No kink-shaming.)
- Ich bin konservativ, weil ich Gott ganz gern habe.
- Ich bin links, weil ich rechts scheiße finde.
Aber: Wenn rechts = konservativ ist,
heißt das dann, dass meine Existenz einfach marode ist?
Wenn ja, ließe mich das an allem zweifeln. Als würde ich mich jeden Tag selbst belügen:
Mag ich doch Frauen?
Würde ich insgeheim gern meine Hand in Alice…
Lassen wir den Gedanken.
Heißt das nun, dass ich als Gläubige nicht mehr an das gute Zusammenleben aller Menschen glauben darf?
Bin ich auf ewig dazu verdonnert, neben Gott auch die AfD mögen zu müssen?
Ich denke nicht. Ich hoffe es nicht. Sonst wäre ich wohl ab dem Moment verdammt dazu, echt bescheuert zu sein.
Denn eine Sache ist klar:
Ich glaube an Gott, guten Sex und linke Politik.
Ach – und dass eventuell noch Rettung für Friedrich Merz’ Haare besteht.
Vielleicht würde Thomas Hobbes mir dafür den Kopf abreißen, aber ich mag es ganz gern, Kirche und Staat voneinander zu trennen.
Ich bin dankbar für alle Situationen, in denen mir Gott zur Seite stehen kann – nur werde ich deshalb nicht anfangen, Menschen in Klassen zu räumen. Ein Land denen zu überlassen, die sich „Vaterlands-Liebende“ nennen – und dabei alle anderen loswerden wollen?
Ich passe.
Ich bin dazu bereit, meinen konservativen Glauben nicht gleichzustellen mit Menschenhass und Abschiebung.
- Steht dort eine Kirche, freu ich mich.
- Steht dort eine Moschee oder eine Synagoge, find ich es toll.
Ich würde sie nicht betreten – doch glücklich sein, mein Glück teilen zu können. Und das auch noch am gleichen Ort!
Ich werde nicht anfangen, die Probleme eines Landes auf jemanden abzuwälzen, der es genauso beschissen findet wie ich.
Und doch verstehe ich eure Ängste und eure Verzweiflung:
Auch ich denke, seit ich mir einmal einen Finger eingeführt habe, ununterbrochen daran, ob ich mit zwei Fingern meine Bi-Sexualität festgestellt hätte.
Doch die Zeiten sind hart.
Ungewisse Sex-Bedürfnisse. Nicht gesprochene Gebete. AfD-Parolen und Gendern – ungefähr da liegt mein Alltag.
Ich kann nur beten, dass ich irgendwann die Lust auf einen zweiten Finger empfinde.
Bis dahin:
„Lasst mich doch Dicks sucken, wo ist das Problem?“ – Trailerpark
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